Lernen, sich eigene Grenzen im Job zu setzen

In unserem Blogbeitrag könnt ihr lesen, welche Ursachen es für das ewige Nicht-Nein-Sagen-Können gibt, wozu das Ganze im schlimmsten Fall führen kann und wie man präventiv dagegen vorgehen kann.

Das neue Tabu-Wort der modernen Arbeitswelt scheint so präsent wie gefürchtet zu sein: Nein. Man versucht schon automatisch alles Mögliche, um den Erwartungen anderer – sei es jenen der Kollegin oder des Chefs – gerecht zu werden. Dabei scheint es auch vollkommen legitim, zusätzliche Aufträge zu übernehmen, Überstunden zu machen oder einer bestimmten Bitte nachzugehen. Hauptsache, man zeigt, dass keine Aufgabe zu groß für einen ist und man alles schaffen kann. Doch nach kurzer Zeit wird klar, dass solch ein Verhalten immense Folgen für die eigene Person mit sich bringen kann.

Überforderung

Die Arbeitspsychologie beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit dem Phänomen, im Beruf keine Bitte ausschlagen zu können, und hat dafür sogar einen Fachbegriff kreiert: die Gefälligkeitsfalle. Jeder sehnt sich nach Anerkennung und Sympathie anderer. Besitzt man diese erst einmal, kann man daraus eine Vielzahl an persönlichen Vorteilen ziehen. So scheint damit sicher, bei anstehenden komplexen Aufgaben auch von derjenigen Person Unterstützung zu erhalten, der man im Vorhinein geholfen hat.

Aber auch allein schon die Tatsache, bei einem bestimmten Sachverhalt um Hilfe gebeten worden zu sein, imponiert Menschen. Es erzeugt das Gefühl eigener Wichtigkeit und Unersetzbarkeit, wodurch schließlich das Ego des Nicht-Nein-Sagenden gestärkt wird. In Extremfällen streben Arbeitnehmer*innen sogar danach, in so vielen Situationen wie möglich gebraucht zu werden. Dieses Verhalten – das sogenannte Helfersyndrom – kann potentielle Minderwertigkeitskomplexe der Betroffenen kompensieren. Eine der häufigsten Ursachen der Gefälligkeitsfalle stellt jedoch die Furcht vor den Konsequenzen dar. Was passiert, wenn ich eine Bitte ablehne? Wird dadurch meine Beziehung zu meiner Kollegin gefährdet, weil sie mich als unkollegial, egoistisch oder faul einschätzt? Wirke ich nicht fähig und kompetent genug für meine Position, sodass womöglich mein gesamter Job in Gefahr steht? Habe ich dann überhaupt noch Chancen auf eine Beförderung? All diese Fragen und noch viele mehr schwirren den meisten Nicht-Nein-Sagenden durch den Kopf.                           

Das Wort "Fear" aus Holzsteinen gelegt
 Beseitigt man durch eine ewige Anti-Nein-Haltung alle Probleme oder erzeugt man dadurch nicht sogar neue, schwerwiegendere? Klare Antwort: Ja, und zwar zweitens. Grund dafür ist, dass die Gefälligkeitsfalle nur temporäre Anerkennung generiert, was in eine Abwärtsspirale für den Betroffenen mündet. Indem man sich noch mehr gefallen lässt, hat man weniger Zeit für eigene To-Dos, wodurch die persönlichen Leistungen sinken und schließlich die persönliche Anerkennung geringer ist als zuvor. Summa summarum: Man wird zunehmend von anderen ausgenutzt, kann sich tendenziell weniger gegenüber den eigenen Kolleg*innen oder des eigenen Chefs durchsetzen und überlastet sich vermehrt systematisch selbst. Daher ist es kein Zufall, dass der Körper vieler Nicht-Nein-Sagenden unter extremem Stress leidet. Dies kann im Extremfall zu psychischen Belastungen, wie Überlastung oder Burnout, führen. Weiterhin können durch das „ewige Hamsterrad“ Krankheiten wie Bluthochdruck, Schlafstörungen, Rückenschmerzen oder Magen-Darm-Probleme begünstigt werden.

  

Gestresster Mann
                                                                       

Doch was kann man nun tun, um nicht in die Gefälligkeitsfalle zu tappen? Zunächst einmal gilt, dass man eine Absage dem Gegenüber – sei es dem Chef, der Kollegin oder dem Kunden – stets auf sanfte und respektvolle Art und Weise beigebracht werden muss. Allerdings sollte man mit dem „Nein“ auch nicht allzu lange warten, um Missverständnisse zu vermeiden.

Außerdem muss beim Nein-Sagen generell Klartext gesprochen werden. Das bedeutet, unbedingt auf Sätze wie „Tut mir echt leid, aber …“ oder „Vielleicht könnte ich …“ zu verzichten. Die Tendenz zu solchen beschwichtigenden Einschränkungen gründet sich meist aus dem Bestreben, den Gegenüber nicht verletzen zu wollen. Das Problematische an derartigen Äußerungen ist jedoch, dass die eigentliche Entscheidung des Redners im Keime erstickt und folglich seine Souveränität geschmälert wird.

Welche Wege gibt es nun aber, sich im Arbeitsleben eigene Grenzen zu setzen, ohne dabei jemanden anderen zu nahe zu treten? Wir haben dazu ein paar Tipps zusammengestellt:

  • Um Verständnis werben: z.B. „Ich weiß, das wird Ihnen nicht gefallen, aber ich kann diese Aufgabe nicht auch noch übernehmen.“
  • Alternativen anbieten: z.B. „Diese Woche schaffe ich es nicht mehr, aber nächste Woche.                                                     

Ja oder Nein                                                          

  • Dramatisieren: z.B. „Ich bin aktuell in mehreren komplexen Projekten eingebunden. Daher kann ich mich momentan nicht auch noch dieser Aufgabe mit dem Engagement widmen, die sie verdient hätte.
  • Spiegeln: z.B. „Ich kann nachvollziehen, dass du dich bei der Organisation dieses Events nicht vollkommen sicher fühlst. Aber ich weiß ganz genau, dass du das meistern wirst. Sammle erst einmal selbst eigene Ideen – später kann ich dir bei Bedarf immer noch helfen.“
  • Konsequent bleiben: z.B. Ich helfe dir gern – aber am Wochenende bleibe ich nicht in der Firma.“                                                                                                                       

All diese Wege, „Nein“ zu sagen, lassen sich besonders gut beherzigen, wenn man selbst über ein gesundes Selbstwertgefühl besitzt, sich ausreichend achtet und liebt. Denn nur wer selbstbewusst ist, kann auch äußeren Stressoren Stand halten.

Zwei junge dunkelhaarige Frauen bei der Arbeit
Bild: Mimi Thian on Unsplash

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Arbeitsalltag eine Vielzahl an Gefälligkeitsfallen lauern, vor denen man sich wappnen muss. Das Setzen individueller Grenzen im Job ist dabei unabdingbar für die Gesundheit und das Wohlbefinden jedes einzelnen. Eine Bitte auszuschlagen führt keinesfalls dazu, dass man von seinen Mitmenschen weniger geliebt oder geschätzt wird. Es beweist vielmehr mentale Stärke und generiert innere Energien, die wiederum der eigenen Arbeit zugutekommen. Sollte man sich also erneut in einer Gefälligkeitsfalle ertappt fühlen (und die wartet sicher nicht mehr lang), sollte man rational bleiben und auf seinen Verstand hören. Denn: „Die Fähigkeit, das Wort „Nein“ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.“ (Nicolas Chamfort).